17. Dezember, 2012

Die neuen «30 glorreichen Jahre»

Seit dem Beginn der vom Internet und den Social Media angeführten digitalen Revolution haben alle Branchen signifikante Veränderungen durchlaufen. Insbesondere die Finanz-, Verlags- und Musikbranche haben schwierige Zeiten durchlebt und mussten sich schliesslich neu erfinden. Für die Medien bleibt heute nur die Wahl, sich zu ändern oder unterzugehen. Dazu braucht es keine Evolution, sondern eine Revolution – etwas Schnelles, Radikales und Unsicheres.

Die Haupteinnahmequelle der internationalen Medien, die Werbung, verzeichnete innerhalb weniger Jahre Umsatzrückgänge von rund 60 Prozent. Damit liegen die Umsätze in den USA unter den Werten von 1950. Die Werbung ist jedoch nicht der einzige Grund zur Sorge. In der Schweiz haben einige Zeitungen in drei Jahren 25 Prozent ihrer Leserschaft verloren. Der Grund dafür liegt in der Horizontalität des Internets, in der die Vermittler überflüssig werden. Alle betroffenen Branchen haben auf eine der folgenden drei Arten reagiert, was wiederum dazu führte, dass sie in der aktuellen Situation festsitzen.

1. NACHAHMUNG FÜHRT NICHT ZUM ERFOLG


Das Nachahmen eines erfolgreichen Unternehmens ist eine Lösung, die häufig von selbst ernannten «Social Media Ninjas» oder anderen Personen mit trendy Berufsbezeichnungen angepriesen wird. Die Erstellung einer Facebook-Seite, eines Blogs, einer iPhone-App, eines QR-Codes oder das Einstellen eines Community Managers ist aber noch keine digitale Strategie. Allzu häufig wird der gleiche Inhalt endlos wiederholt. Es läuft darauf hinaus, dass erfolgreiche Unternehmen nachgeahmt werden, ohne dass der Grund für deren Erfolg wirklich verstanden wurde. Im besten Fall beeindruckt der Abklatsch einer 2.0-Strategie die Unternehmensführung, vielleicht sogar die Aktionäre. Am Ende des Tages ändert dies aber nichts daran, dass lediglich der gleiche Inhalt in zahlreichen Medien wiederholt wird. Die Einstellungen und Erwartungen der Nutzer bleiben unverstanden; es mangelt an Vorstellungskraft. Dabei sollte man nicht vergessen, dass sich die Investitionsrendite einer digitalen Strategie in der Beziehung äussert, die zwischen einer Marke und den Anwendern aufgebaut wird.

2. KONSERVATISMUS UND LEUGNEN DER GEGENWART (UND DER ZUKUNFT)


Es sind häufig die Rechtsberater, die diese Verhaltensweise empfehlen, was wiederum den Mythos nährt, dass bestimmte Gesetze den Lauf der Geschichte stören. Das jüngste Beispiel hierfür ist ein Berufsverband der Medien («National Union of Daily Press»), der Suchmaschinen jedes Mal zur Kasse bitten wollte, wenn diese die Seiten der Medien anzeigten. Die Idee dahinter ist einfach: Suchmaschinen sind profitabel, Medienwebsites dagegen nicht; das Aufkommen der ersteren verdeutlicht die mangelnde Profitabilität der anderen. Stellen wir uns einmal vor, ein Automechaniker würde den Gelben Seiten für das Recht, seine Unternehmensinformationen aufnehmen zu dürfen, eine Rechnung schicken. Diese absurde Idee verdeutlicht, wie ignorant Unternehmen neuen Herausforderungen gegenüberstehen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Menschheit noch nie ein Kommunikationsmittel vorsätzlich abgeschafft hat. Als die Schrift erfunden wurde, verbreitete sie sich rasend schnell, und nichts konnte sie aufhalten. Einige Systeme wurden von anderen abgelöst (z. B. hat die Secured E-Mail das Fax abgelöst), aber der Brief hat noch jedes neue schriftliche Kommunikationsmedium überlebt.

Die ersten beiden Lösungen teilen sich den dekorativen Charakter, nicht aber die tiefgreifenden Änderungen, die sie in einem bestehenden Unternehmen heraufbeschwören können. Sie sind lediglich kleine «Add-Ons.» Nicht mehr, nicht weniger. Es sind kleinere Weiterentwicklungen, keine radikalen Umwälzungen. Dennoch stehen einige Unternehmen gut da, weil sie innovative Lösungen gefunden haben. Anstatt auf Veränderungen zu reagieren, ahnten Sie das Potenzial voraus, das der Bruch mit alten Gewohnheiten mit sich brachte. Sie ergriffen die Gelegenheit und waren früh zur Stelle, um Marktanteile zu gewinnen, die die Konkurrenz abgab. Der Chefredakteur der
New York Times erklärte in einem Interview, er leite keine Tageszeitung in Papierform, sondern eine Website, die zufällig mit einer Printausgabe in Verbindung stehe. Dieser offene und unvoreingenommene Ansatz ist der Schlüssel zu ihrem heutigen Erfolg.

3. TIEFGREIFENDE VERÄNDERUNG


Wenn Sie Ihr Unternehmen oder Ihr Geschäft ändern wollen, müssen Sie es wagen, alles infrage zu stellen. Wenn Sie dies in Erwägung ziehen, dann liegt der Schwerpunkt der Aktivität auf den Mitarbeitenden, den Ressourcen und dem Mehrwert. Anhand dieser Tatsache ist es möglich, Ihr Geschäftsmodell komplett zu überdenken. In der Schweiz haben wir das Glück, über eine der innovativsten Lösungen zu verfügen: «Business Model Generation» unterstützt die Unternehmen dabei, sich neu zu erfinden. Für eine erfolgreiche Transformation muss ein Unternehmen mutig sein, Dinge ausprobieren und etablierte Modelle infrage stellen.

In der Medienwelt ist «Newsweek» ein hervorragendes Beispiel für kürzlich erfolgte, umfassende Veränderungen. Einige werden sicher denken, dass das Ende der Printversion ein Beweis für Scheitern ist. Tatsächlich sollte es aber als grossartige Gelegenheit für die Leser und den Verlag gewertet werden. Newsweek spart dadurch immense Kosten, vermeidet logistische Probleme bei der Produktion und der Lieferung und überspringt gleichzeitig Vertriebsstellen und Vermittler. Dank dieser verkürzten Kette können die Informationen direkt und kostengünstiger zu den Kunden gebracht werden, was die Marge von Newsweek wahrscheinlich vergrössert. Derartig radikale Veränderungen bedeuten für ein Unternehmen, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt und die Mitarbeiter überzeugt werden müssen.

Hier einige wichtige Punkte für tiefgreifende Unternehmensumstrukturierungen, die ein Unternehmen zu einem Hauptakteur seiner Branche machen:

Alle Mitarbeiter müssen verstehen, was auf dem Spiel steht
Vom CEO bis hin zum Praktikanten – jeder Einzelne muss ganz und gar verstehen, was bei den kommenden Veränderungen auf dem Spiel steht. Dazu können die verschiedensten Kommunikationskanäle genutzt werden: interne Kommunikation, Workshops, Teaser oder auch lockere Gespräche in der Kaffeepause.

Das neue System wird «bottom-up» (von unten nach oben) eingeführt
Hierzu müssen Systeme zur Bottom-up-Kommunikation und -Interaktion eingeführt werden, die dazu dienen, der Unternehmensleitung ein Feedback zu geben und Innovationen und Zusammenarbeit zu fördern.

Prototypen werden auf einfachste Weise getestet
Neue Ideen sollten schnell implementiert und getestet werden. Sie sollten zunächst zur Überprüfung, Verbesserung oder Ablehnung einer kleinen Gruppe vorgestellt werden. Wenn es bis zur offiziellen Präsentation eines Produkts oder einer Dienstleistung ein Jahr dauert, wird es/sie bis dahin wahrscheinlich bereits überholt sein.

Interne Flexibilität
Wenn sich eine Änderung langwierig und schwierig gestaltet, ist auch die erfolgreiche Modernisierung eines Unternehmens unwahrscheinlich. Alle Mitarbeitenden müssen dazu bereit sein, ihren Aufgabenbereich, ihren Zeitplan, ihre Gewohnheiten oder ihren Arbeitsplatz schnell zu ändern.

Unternehmergeist
Nichts ist wertvoller als Motivation, Unternehmergeist und eine offene Einstellung gegenüber Veränderungen. Das grösste Talent von Google war es, zu expandieren und gleichzeitig den dynamischen Geist zu bewahren, den man von Start-ups kennt. Aber nicht nur von einem einzigen Start-up. Jedes Team und jede Abteilung sieht sich selbst als ein Start-up innerhalb des Unternehmens.

Unsere Welt durchläuft eine Revolution, aber einige Dinge werden sich in den kommenden Jahren nicht verändern. Es wird sie immer geben: die Könige der Einschränkungen und die Experten des Leugnens. Doch der Zug wird an ihnen vorbeifahren und sie auf der Seite zurücklassen. Die Veränderungen können nicht warten. Die Revolution ist bereits im Gange. Unsere Generation erfreut sich an ihren «30 glorreichen Jahren». Aber Vorsicht! Sie werden keine 30 Jahre andauern.

Dieser Artikel wurde von Olivier Kennedy
am 17. Dezember, 2012
in #Sonstiges veröffentlicht
Newsletter
Erfahren Sie aus erster Hand das Neueste von Enigma. News, Projekte, Blogartikel und Innovationen.
01
360°-Agentur
02
Individuelle Strategien