13. September, 2013

Kenn dich selbst, bevor du deinen Feind attackierst

Eine «Marke» erschaffen, vergrössern, auffrischen oder auch nur verwalten, ist ein komplexer Prozess. Sich von seinen Konkurrenten abheben und eine treue Anhängerschaft um seine Marke scharen, ist leider bei vielen Unternehmen eher eine obskure Kunst statt ein konkreter Prozess.

Auch wenn es viele Instrumente oder Techniken zur Stärkung einer Marke gibt, werden diese noch zu oft schlecht eingesetzt. Ohne ein echtes Verständnis ihrer Rollen und ohne das Wissen, wie man sie in eine strategische Überlegung miteinbezieht, sind diese Techniken wirkungslos und können gar zu grossen Verlusten führen. Die jüngste Werbung von Microsoft ist ein krasses Beispiel dafür.

Schauen wir uns mal das Video an, das einen ziemlichen Aufruhr in den sozialen Netzen auslöste, als es auf den Markt kam.

Ich liebte dieses Video. Ich musste beim Anschauen wirklich schallend lachen, und ich teilte es sogar mit meinen Freunden. Aus strategischer Sicht jedoch ist diese Werbung eine der schlechtesten, die ich in letzter Zeit zu sehen bekommen habe. Sie benutzt ein sehr bekanntes Branding-Instrument: den Feind. Einen Feind zu haben, sei es einen direkten Konkurrenten oder eine Art, tätig zu sein oder die Welt zu sehen, ist ein extrem schlagkräftiges Instrument, um sich von andern zu unterscheiden. Vor allem dient es dazu, Anhänger um sich zu scharen.

Was ist das Ziel dieses Videos? Den Kampf zwischen den Anwendern von iOS und denjenigen von Android zu verspotten, um sie dazu zu bewegen, auf Windows Phone zu switchen.

Da Apple und Google ihren Konkurrenten nur ein paar Krümel überlassen, ist es verständlich, dass Microsoft möchte, dass die Benutzer das System «wechseln». Wenn auch das Vorgehen amüsant ist, bleibt es doch erschreckend ineffizient, indem es die Schlagkraft der Differenzierung, die es propagiert, unterschätzt.

Diese Schlacht zu inszenieren, heisst auch, die Benutzer daran zu erinnern, zu welchem «Clan» sie sich zugehörig fühlen. Dadurch wird die Kampflust neu geschürt (ja, der Typ, der sein Hemd öffnet und den tätowierten Apfel zeigt, der bin ich ein wenig).

In diesem Sinn sind die Antworten der beiden Akteure, die ein Nokia Lumia besitzen, ein brutales Eingeständnis:


  • ‘you think if they knew about the Lumia, they’d stop fighting all the time?


Verstanden wird: Denkst du wirklich, dass sie es kaufen werden, wenn eine Werbung wie diese die Existenz des Windows Phone aufzeigt?

  • I don’t know, I think they kind of like fighting.


Genau. Die Konsumenten lieben das. Wir lieben es, uns auf eine Seite zu einem Team zu schlagen. Und in diesem Fall hat die erdrückende Mehrheit schon längst ihre Seite gewählt und ist ab jetzt damit beschäftigt, ihre Zugehörigkeit zu verteidigen.

Wenn Sie noch nie eine Werbung gesehen haben, die sehr konkret aussagt, dass die Konsumenten gerade dieses Produkt nicht kaufen werden, dann haben Sie jetzt so eine Werbung.

Wenn man einen Feind dazu benutzen will, sich von ihm abzuheben, darf man auf keinen Fall gleich zwei Feinde wählen. Dieses Vorgehen funktioniert nur dann, wenn der Feind sehr frontal als «einer gegen einen» präsentiert wird.

Wahrscheinlich wollte Microsoft dies in seiner letzten Werbung für das Surface-Tablet tun:

Hier ist die Aussage frontal und a priori sehr viel effizienter. Hier handelt es sich um Differenzierung, und man denkt gleich an den Klassiker von Apple: «Hello I’m a Mac, and I’m a PC.»

Gönnen Sie es sich:

 

http://www.youtube.com/watch?v=DZSBWbnmGrE

 

Aber auch hier, denke ich, gibt es ein echtes Problem: Es ist nicht so sehr die Werbung an sich, sondern die Strategie (oder das Fehlen der Strategie) hinter dieser Werbung.

Das Problem von Microsoft ist, dass das Unternehmen verzweifelt ist. Das Surface-Tablet verkauft sich nicht, das Unternehmen hat kürzlich zugeben müssen, dass es einen eingefahren hat.

Es sieht sich dem iPad gegenüber, das den Markt überrannt hat, und weiteren heisshungrigen Konkurrenten (Galaxy Tab, Kindle Fire, Nexus …), und es sagt sich, dass es sich logischerweise mit ihnen vergleichen muss (was es ja auch buchstäblich in seiner Werbung tut). Also senkt man den Preis massiv und betont weiterhin seine Merkmale: das Tablet hat einen Fuss, eine Tastatur und einen USB-Port. Voilà. Leider hat aber dieses Produkt, und auch die Marke Microsoft, keine eigentliche Identität.

Steve Sinek, der Autor von «Start with Why», bringt dieses Problem in seinem Konzept des «Golden Circle» sehr gut auf den Punkt. Dieses besteht aus drei Teilen: Warum, Wie, Was.

Das Problem, das Steve Sinek aufzeigt, besteht darin, dass die überwältigende Mehrheit der Marken zuerst über die Fakten kommuniziert, über das «Was», statt über ihre Identität (das Warum). (absolut lohnenswert zu sehen).

«So würde die Botschaft von Apple aussehen, wenn Apple wie seine Konkurrenten kommunizieren würde: 


  • Wir machen sehr gute Computer (Was). Sie haben ein wunderschönes Design und sind einfach zu bedienen (Wie).  Möchten Sie einen kaufen?


Und so kommuniziert Apple in Wirklichkeit: 

  • In allem, was wir tun, glauben wir an die Infragestellung des Status quo. Wir glauben, dass ein Umdenken geschehen muss (Warum). Unsere Art, den Status quo herauszufordern, besteht darin, Produkte zu kreieren, die ein perfektes Design haben und extrem einfach zu bedienen sind (Wie). Zufällig stellen wir Computer her. (Was). Möchten Sie einen kaufen?»


Um mit Steve Sinek zu schliessen: Weil Apple so kommuniziert, sind wir bereit, bei Apple nicht nur Computer zu kaufen, sondern auch MP3-Player, Musik, ein Tablet, ein Telefon und morgen, wer weiss, eine Uhr oder einen Fernseher.

Die Schlussfolgerung aus dem Golden Circle: Wenn Sie einmal das «Warum» beherrschen, Ihre «raison d’être», dann wird alles für Ihr Geschäft und Ihr Marketing einfacher.  Um auf die erwähnte Werbung und auf den «Kampf» und die «Feinde» zurückzukommen − eine echte Markenidentität, ein «Warum», verschafft Ihnen einen Grund zum Kampf, eine Sache zum Verteidigen.

Das Hauptproblem von Microsoft mit seinen Produkten besteht darin, dass das Unternehmen Mühe hat, seine Vision (falls es eine hat) und seine Identität zu vermitteln. Es «reagiert» mit seinem Tablet, wie es schon mit «Zune» reagierte, das den iPod hätte konkurrenzieren sollen.

Ehrlich gesagt stellt Microsoft mit seiner Werbung für den Surface RT dennoch etwas dar: die Produktivität. Eine Tastatur, ein USB-Port … «Less Talking, More Doing.» Hier sieht man doch den Anfang einer Identität, werden Sie sagen. Aber ist dies gut?

Wollen sich die Konsumenten wirklich ins Lager der «Produktiven», der «Arbeiter» schlagen?  Mit dieser Botschaft und dieser Werbung scheint es fast so, als wolle Microsoft die Werbung «Hello I’m a Mac, and I’m a PC» wieder aufgreifen. In der ersten Werbung sagte der Mac zu seinem Nachbarn: «You should see what this guy can do with a spreadsheet.»

Nun scheint es, also ob diese «Produktivitäts»-Identität nicht wirklich übernommen wurde, da sie in anderen Werbebotschaften für Surface fehlt, die ebenfalls Mühe damit bekunden, eine eigentliche Identität und kohärente Botschaft zu vermitteln.

Schauen Sie sich im Hinblick auf die Identität das Video an, das Apple bei der Lancierung von Keynote im vergangenen Juni veröffentlichte:

Hier handelt es sich natürlich nicht um Werbung. Vergleichen Sie es dennoch mit den Werbebotschaften, die wir eben gesehen haben. Microsoft versucht dieses Merkmal zu forcieren, mit seinem «do you still think I’m sexy?». Aber man sieht gut, dass eines der beiden Unternehmen sich seiner Identität und dessen, was es darstellt, bewusst ist, während das andere im Dunkeln herumtappt.

Wenn Steve Ballmer einmal bekanntgeben wird, er lege seine Funktion als CEO von Microsoft in zwölf Monaten nieder, wird sich das Unternehmen einer gründlichen Selbstprüfung unterziehen müssen, sei dies in Bezug auf seine Geschäftsstrategie oder sei es in Bezug auf die Art und Weise, wie es diese über sein Branding nach aussen vermitteln will.

Was man aus diesen Beispielen mitnehmen sollte, ist, dass Branding nicht improvisiert werden darf. Mit der Erarbeitung und Vermittlung seines «Brand Strategy System» macht Enigma diesen komplexen Prozess deutlich. Dieses System erlaubt einen sachbezogenen Dialog mit dem Unternehmen. So wird sichergestellt, dass seine Kommunikationsmassnahmen auf soliden strategischen Grundlagen basieren.

Ohne diese Reflexion, ohne diese Arbeit bleiben Ihre Kommunikationsmassnahmen wie bei Microsoft leere Worthülsen.

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