Automatisierung wird Arbeitsplätze schaffen
Seit drei Jahren steigt diese Zahl: 47% bzw. 2034 werden fast die Hälfte der Arbeitsplätze automatisiert sein. Seit der Veröffentlichung dieser Studie aus Grossbritannien können wir eine regelrechte Panik vor Robotern beobachten.
Doch in einer Zeit von Fake News auf Facebook und Innovationsscharlatanen auf LinkedIn scheint es, als könnten wir nicht mehr länger eine Zukunft erwarten, in der menschliche Angestellte alltäglich sind.
Bei Enigma teilen wir diese Sichtweise nicht. Für uns ist die momentane Automatisierung eher historisch bedingt. Wir glauben deshalb, dass künstliche Intelligenz und Roboter sogar Arbeitsplätze schaffen werden.
Die Wahrheit hinter den 47%
Diese berühmte Studie, die von 47% potenzieller Automatisierung spricht, wurde mehrfach in Frage gestellt, insbesondere von der OECD, die sagt, dass nur 9% aller Arbeitsplätze in den 21 OECD Ländern automatisierbar sind. Wieso also eine solche Kluft und wieso ein solcher “Medienzirkus”? Es ist eigentlich ziemlich einfach: Der berühmten Studie unterlief der grobe Fehler, Arbeitsplätze aus Sicht von Berufsgruppen und nicht aus Sicht der Tätigkeiten zu betrachten. So wird die Tatsache übersehen, dass es innerhalb eines Arbeitssektors verschiedene Aufgaben gibt. Doch es bleibt eine beängstigende Vorstellung und ein schlagender Verkaufspunkt. Genauso wie es auch die Tweets von Donald Trump sind.
Was ist mit der Produktivitätssteigerung, die Maschinen ermöglicht?
Aufgrund der Komplexität der Wirtschaft, der Volatilität des Marktes, der oft überholten Managementsystemen von Bürokratien, des Verlusts des Sinnes einer Arbeit, des Einflusses von Stress im Job, der archaischen IT-Systeme und der Generationskonflikte scheitert die Arbeitswelt. Und trotz unseren technologischen Innovationen wird die Menschheit immer weniger produktiv. Und alle sind davon betroffen! So fällt es nicht sehr schwer, sich vorzustellen, dass Maschinen uns bald ersetzen könnten.
Doch würden Roboter und künstliche Intelligenzen wirklich unsere Jobs übernehmen, wäre auch ein schneller Anstieg der Produktivität der Arbeiter, die noch Jobs haben – die Menge an Arbeit dividiert durch die Anzahl beschäftigte Leute – zu erwarten. Dies ist aber nicht der Fall. Die Produktivität geht generell eher zurück, und dort, wo man immer noch einen Anstieg beobachten kann, ist er tiefer als in der Vergangenheit.
Fördert die Automatisierung also die Arbeitslosigkeit?
Der Ökonom James Bessen der Universität Boston liefert ein Beispiel aus der Justiz, wo seit fast 20 Jahren Softwares benutzt werden, um während Verhandlungen Millionen von Dokumenten zu ordnen. Dieser Prozess, in der Branche “Discovery” genannt, war immer sehr kostenintensiv. Doch dank elektronischer Methoden konnten diese Kosten drastisch reduziert und sogar noch präzisere Resultate erzielt werden. Überraschenderweise führte diese Veränderung nicht zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit unter Anwälten und in der Justiz. Im Gegenteil, die Beschäftigung von Rechtsberatern und Anwälten ist bemerkenswert angestiegen. Ein ähnliches Phänomen trat auf, als die Geldautomaten einige Aufgaben der Bankangestellten automatisierten sowie bei der Einführung der Strichcodes. Statt vermehrter Arbeitslosigkeit war ein Anstieg der Zahl der Arbeiter in diesem Bereich zu beobachten.
Während wirdavon überzeugt sind, dass die Automatisierung von Aufgaben die Arbeitslosigkeit in einer Branche ansteigen lässt, übersieht diese Logik einige fundamentale ökonomische Aspekte: Indem die Kosten eines Produktes oder einer Dienstleistung gesenkt werden und die Qualität erhöht wird, zieht die Automatisierung mehr Kunden an. Geldautomaten haben es Banken ermöglicht, ihr Tätigkeitsgebiet auszuweiten, indem sie gewisse Vorgänge weniger teuer gemacht haben. Berater sind zu Spezialisten im Consulting und im Marketing geworden, da sie eine Dienstleistung anbieten, die näher bei den Kunden ist.
Doch Automatisierung hat nicht für alle Vorteile. Das Wachstum einiger Arbeitszweige beruht auf Kosten anderer Bereiche. Die Erfindung von computergesteuerten Telefonen führte zum Verlust von Arbeitsplätzen für Telefonistinnen und Telefonisten. Doch führte sie auch zu mehr Beschäftigung für Rezeptionistinnen und Rezeptionisten.
Der absolute Effekt auf die Arbeitslosigkeit hängt vom Trend ab, der gerade in der Gesellschaft vorherrscht. Deshalb sind Innovation und unsere kollektive Lernkapazität so wichtig.
Nehmen Sie das Beispiel eines Lieferanten und seines Lastwagens. Durch die limitierte Sicht der Medien (Gewerbe vs. Tätgkeiten) wird ein selbstfahrendes Fahrzeug den Fahrer ersetzen und ihn in die Arbeitslosigkeit entlassen. Doch eine einfache Service Design Analyse zeigt uns, dass immer noch die Notwendigkeit besteht, den Lastwagen zu be- und entladen, und dass die Lieferung einiges an Interaktion mit dem Kunden erfordert. Sobald die Fahrer nicht mehr länger dafür verantwortlich sind, die Lastwagen zu fahren, entstehen einige Szenarien, in denen zum Beispiel die Fahrerkabine als mobiles Büro fungiert, während sich die Arbeit des ehemaligen Fahrers mehr auf die Logistik, den Verkauf und die Beratung fokussiert.
Welche Schlüsse können wir daraus ziehen?
Die momentanen Diskussionen über die Automatisierung werden stark von überholten Bildern eines Klassenkampfes und von industrieller Revolution verzerrt, die in einer globalisierten und immer offener werdenden Welt keinen Sinn mehr machen.
Das Thema Automatisierung lehrt uns deontologisches Misstrauen, wird es durch den technologischen Determinismus, der die Medien und die Politik dominiert, verstanden.
Der Schlüssel zur begleitenden Automatisierung bleibt letztendlich unsere Fähigkeit zu lernen (und auch zu verlernen) sowie zusammenzuarbeiten. Wir werden lernen müssen, nicht nur besser zusammenzuarbeiten sondern auch, die Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz und Technologie im Allgemeinen zu verbessern. Leider wird man schnell realisieren, dass Lehrpläne schon bald sehr veraltet sein werden, und dass Strategien digitaler Transformation viel zu oft auf den Einsatz von Computer-Tools fokussiert sind, wobei sie die menschliche Dimension übersehen.
Vorausschauendes Denken, Business Modell Innovation und Service Innovation sind zweifellos der Schlüssel für Firmen, die sich an die Automatisierung in ihrer Branche anpassen müssen.
In einer Zeit, in der künstliche Intelligenzen immer effizienter werden und im Vorstand von Firmen sitzen, ist es dringend nötig, das Schulsystem und unsere kritische Betrachtung von sozioökonomischen Phänomenen am Arbeitsplatz zu überdenken und unsere Innovations- und Kollaborationskultur weiterzuentwickeln. Auf diesem Weg können die andauernden Darstellungen des 19. Jahrhunderts verworfen werden sowie unsere Zukunft entstehen.
Cover Photography by Robert Occhialini „Robots Are Among Us“