Die Zukunft des Einzelhandels: die grosse Polarisierung
Genau wie das Musikgeschäft, die Filmindustrie, die Medien, Hotels, Taxis und [Ihre Firma hier einfügen], ist der Einzelhandelsmarkt in einer Phase der Schwierigkeit und Ungewissheit angelangt. Und die Schweizer Einzelhändler sind da keine Ausnahmen.
Seit dem Aufkommen des Internets erwachte eine Branche in einer neuen, störenden Realität, in welcher die Schuld immer auf irgendetwas Digitales geschoben wird. In der Tat, nach einer anfänglichen Phase der Verleugnung, haben diese gestörten Akteure schnell Massnahmen zum Schutz und zur Gesetzgebung ihres Marktes gefordert. Sowohl im Geschäft als auch in der Politik möchte man zu den guten alten Zeiten zurückkehren, da dies oft die bequemste Lösung ist.
Heutzutage ist die Welt der Innovationen und der Wirtschaft davon überzeugt, dass die Technologie den sozialen Wandel antreibt. Wir sprechen hier von technologischem Determinismus. Sie glauben auch, dass alle Probleme mit einer Technik wie Google oder Facebook gelöst werden können. Basierend auf diesem Glauben macht es Sinn, die Technologie als deterministisches Problem hinter der „Störung“ zu sehen. Aber wir von Enigma glauben an eine andere Story. Wir glauben, dass diese Weltanschauung einen sozioökonomischen toten Winkel aufdeckt.
Durch unsere Feldforschung und Datenanalyse sehen wir eine sich stark verändernde Gesellschaft, weit von der sozialen und ökonomischen Architektur des 20. Jahrhunderts entfernt.
Neue Gewohnheiten breiten sich aus
Amazon Dash Buttons für eine automatische Nachbestellung sind ein perfektes Beispiel. Eine bestimmte Art von Produkten wie zum Beispiel Reinigungsartikel machen Sinn, automatisiert zu werden. Es gibt Startups, die Hauslieferungen von Lebensmitteln basierend auf der Saison und auf den Gesundheits- und Sportdaten der Kunden vorschlagen. Wir nennen dies massgeschneiderte Automatisierung.
In einigen Einzelhandelsgeschäften sind Käufe mehr und mehr mit Reisen verbunden. Mit diesem “bleisure” Trend (Business + Freizeit), geniessen die Menschen verlängerte Geschäftsreisen, um Städte zu entdecken und an neuen Orten einzukaufen. Wie oft haben Sie eine Geschäftsreise verlängert, um einkaufen zu gehen und in ein paar gute Restaurants einzukehren? Hinter diesem Trend liegt eine neue Realität: Heute führen die Läden einen Wettbewerb, der weit von ihrer geographischen Lage entfernt ist.
Haben Sie bemerkt, wie oft Pendler in Bahnhöfen einkaufen? Dies zeigt einen weiteren Trend. Bei diesem Trend geht es um das Abgleichen von Lebensmitteln und Mobilität und wie immer mehr Verkehrsknotenpunkte zu Einkaufsknotenpunkten werden. Dank verstopften Strassen und Städten erlaubt uns die mobile Technologie, die Pendlerzeiten besser zu nutzen. Dadurch werden öffentliche Verkehrsmittel für viele Menschen funktionaler. Diese Realität verändert unseren Wunsch nach schnellen und geeigneten Transportdienstleistungen, mit welchen das Einkaufen verbunden werden kann. In der Schweiz wird dieser Trend auch durch die konservativen Ladenöffnungszeiten verstärkt.
Verständnis der neuen Beziehung zwischen dem Einzelhandel und Einkaufen
Im Mittelpunkt dieser Verschiebungen sehen wir ein goldenes Dreieck. Es zeigt die zunehmend komplexen Wechselwirkungen zwischen wie wir leben, wie wir arbeiten und wie wir uns bewegen. Zuhause / Arbeit / Mobilität. Diese Säulen sind in einer gegenwärtigen massiven Verschiebung, wo ihre historischen Grenzen, die im 19. Jahrhundert geboren wurden, nicht nur herausgefordert werden, sondern vielmehr zerschlagen werden. Und Einzelhändler sind das Herzstück dieses mehrdimensionalen Drehmoments.
Manchmal möchte man einkaufen gehen und manchmal muss man es einfach tun. Die Erkenntnis dieser Spannung ist der erste Schlüssel zum Verständnis der Veränderungen im Einzelhandel heute. Wie unser Credo sagt, glauben wir, dass das, was automatisiert werden kann, automatisiert wird. Das ist zum Beispiel dort, wo viele Startups und Giganten wie Amazon sehr aktiv sind. Die Fragen sind dann, wo ist der menschliche Kontakt noch wertvoll und notwendig? Was durch Daten verstärkt werden? Welcher Teil der Einkaufserlebnisses braucht die Empathie und Sorge einer menschliche Beziehung?
Die Beantwortung dieser Fragen erfordert es, die soziographischen Trends zu verstehen, wie sich die Gesellschaft heute verändert. Was für eine bestimmte Gruppe von Kunden sinnvoll ist, könnte für eine andere ganz anders sein. Basierend auf dem Kontext und ihren Beziehungen zu den Marken und Produkten hilft es, diese verschiedenen Geschichten zu verstehen, um neue Kundenerlebnisse zu gestalten. Da wir von einer Welt, die um Autos gebaut wurde, in eine Welt rutschen, die um unsere Handys herum gebaut ist, sind die Veränderungen von der Art und Weise, wie wir uns bewegen, arbeiten und einkaufen, fundamental.
Entwerfen eines menschlichen Einkaufserlebnisses
Wir glauben, dass es für die Einzelhändler eine Zukunft gibt. Automatisierung und Lieferung reichen nicht aus. Einige Einkäufe sind geplant, andere sind lästig. Aber unser Vergnügen, auf den Strassen zu wandern und über das Unerwartete zu stolpern, wird niemals weg gehen.
Einzelhändler können eine Zukunft haben, aber sie müssen etwas in ihrem Ansatz ändern. Zuerst muss akzeptiert werden, dass es “Have-to”-Momente gibt, in denen die Leute nur so schnell wie möglich das bekommen wollen, was sie benötigen. Da es so bequem wie möglich sein muss, wird die Automatisierung, Heimlieferung oder Pendler-Shopping wahrscheinlich über den traditionellen Einzelhandel gewinnen. Es sei denn, intelligente Einzelhändler finden einen guten Weg, um “Have-to”-Momente in “Want-to”-Momente zu verwandeln.
Das andere Ziel ist es, sich auf “Want-to”-Momente zu fokussieren und diese in menschliche, emotionale Erfahrungen zu verwandeln. Kreieren Sie diese so gut, dass niemand eine automatisierte oder nicht-menschliche Lösung anstelle des Einzelhandelsangebots wählen würde. Nutzen Sie die Kraft der menschlichen Interaktion überall dort, wo es Sinn macht.
Letztendlich sind die Einzelhändler, die überleben werden, diejenigen, die es schaffen, sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden und die emotionalen Erwartungen zu konzentrieren. Einfache Anzeigen von Produkten,von denen Sie annehmen, dass Ihre Kunden diese wollen, genügt nicht.
Einfacher gesagt als getan. Jetzt denken Sie vermutlich: Ja, Sie haben Recht. Aber wo wäre der Spass, wenn es nicht schwierig wäre? Überlegen Sie sich, wie Sie Ihre Konkurrenten überlisten können? Ringen Sie damit, wie Menschen und Automatisierung optimal zusammenarbeiten können? Durchleben Sie eine harte Zeit, um Ihr perfektes Wertversprechen zu finden? Versuchen Sie, die Gedanken Ihrer Konsumenten zu lesen? Fragen Sie uns, wir helfen Ihnen gerne weiter.
Titelbild von SBB CFF FFS
Vielen Dank an Romain Pittet für seine Fähigkeit Dinge, die in meinem Kopf vorgehen, in kürzester Zeit zu erfassen und ihnen einen Sinn zu geben.