21. August, 2022

Infomaniak: Eine hybride Marketingstrategie

Infomaniak, „die ethische Wolke“, wie sie sich selbst präsentieren, ist ein grossartiges Unternehmen, das man im Hinblick auf ihr Marketing analysieren kann, da sie einen hybriden Ansatz verfolgen: Sie konzentrieren sich auf die Produktentwicklung, aber ihre starken Werte stehen im Mittelpunkt ihrer Kommunikation und ihres täglichen Handelns.

Wie sieht ihr hybrider Ansatz aus und wie beeinflussen ihre Werte ihr Marketing? Was sind die Folgen der Art und Weise, wie wir sie von aussen wahrnehmen? Wie sieht ihr Marketing-Mix aus? Darüber sprechen wir in diesem Artikel, denn Enigma hatte die Gelegenheit, ein Interview mit Boris Siegenthaler, dem Gründer von Infomaniak, und Thomas Jacobsen, dem Kommunikationsmanager, zu führen. So konnten wir über ihre Marketingstrategie sprechen und unsere jeweiligen Erfahrungen teilen.

Wie immer haben wir aus diesem Austausch einige Lehren gezogen, die wir gerne teilen möchten!

Fangen wir an!

Das Ziel von Infomaniak: Eine lokale Alternative zu Big Tech werden

Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das sie sich selbst und ihrer gesamten Marketingstrategie gesetzt haben. In den letzten Jahren hat man sich darauf konzentriert, einen Weg zu finden, mit den Big Tech Firmen zu konkurrieren und sie zu entthronen, um den Menschen andere Möglichkeiten zu geben. Was die Werbung betrifft, ist es kein Geheimnis, dass Big Tech einen enormen Einfluss auf die Unternehmen haben und in Bezug auf die Preisgestaltung den Standard setzen. Ihre Produkte werden von Millionen von Menschen genutzt und sobald man sich an diese gewöhnt hat, nimmt man sich die Zeit nicht mehr andere Alternativen zu erkunden. 5 Jahre nachdem man sich dazu entschieden hat, Gmail oder Outlook zu benutzen, wundert man sich nicht mehr über das Management oder die Vertraulichkeit der Daten.

Weil sie so gewillt sind, eine wertvolle Alternative zu sein, konzentrieren sich alle ihre Bemühungen auf die Entwicklung von Produkten, welche 80% der Ansprüche von Nutzern gerecht werden. Big Tech zu konkurrenzieren ist nicht ihr Primärziel, sondern sicherzustellen, dass Leute eine reale Alternative haben, dass sie eine Wahl haben, und dass sie sehen dass es möglich ist, lokale Optionen zu kreieren während man dadurch Jobs schafft, Steuern zahlt und fähig ist, Datensicherheit zu garantieren.

Kürzlich haben sie einen Dienst entwickelt, der kostenlose E-Mail-Adressen anbietet, die in einer ebenfalls kostenlosen Cloud gespeichert sind, welche zu 100% schweizerisch und unabhängig ist. Ja, umsonst. Sie verdienen kein Geld daran. Und warum? Weil sie sich stark von Big Tech unterscheiden und Werte über den Profit stellen und somit ein sehr verschiedenes Businessmodell benutzen. Natürlich ist das Team von Infomaniak clever genug, um sein Geschäft ins Rollen zu bringen. Es gibt sie seit 28 Jahren und sie sind seitdem ein wichtiger Akteur auf dem Markt. Überflüssig zu erwähnen, sie wissen was sie tun.

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Olivier Kennedy und Thomas Jacobsen

Ihre Gegenstrategie wirft jedoch einige Fragen auf, da sie bereit sind, so ähnliche Produkte auf den Markt zu bringen:

  • Was ist der Mehrwert ihrer neuen Optionen?
  • Was haben sie davon?

Nun, die Antwort auf diese Fragen liegt in ihren Werten und der Bedeutung, die sie ihnen beimessen. Sie haben beispielsweise Produkte wie Gmail und Google Drive entwickelt, weil sie wollten, dass Leute eine Alternative haben, bei der ihre Daten und ihre Privatsphäre nicht gefährdet sind. Wir alle wissen, dass Big Tech begonnen hat, die Daten ihrer Nutzer zu verkaufen, um damit Profit zu machen. Dies bot Betrügern leider jedoch die Möglichkeit, neue Lücken im System auszunutzen. Glücklicherweise arbeiten heute alle an dieser Herausforderung und suchen nach Lösungen zur Verbesserung des Datenschutzes und der Privatsphäre.

Infomaniak ahmt jedoch nicht einfach die Produkte von Google kostenlos nach. Sie arbeiten aktiv an Lösungen, die neue Funktionen enthalten und somit mehr als nur Nachahmer sind.

Und was hat Infomaniak davon? Die Genugtuung, dass sie nicht nur für den Profit arbeiten, sondern für etwas Grösseres als sich selbst? Vielleicht. Sicher ist, dass sie sehr starke Werte haben, die viele Auswirkungen auf ihr Marketing haben. Einige sind gut, andere nicht so gut.

Die Relevanz von Werten innerhalb einer produktorientierten Strategie

Da Infomaniak das Feld vorbereitet, um Big Tech in der Schweiz zu ersetzen, müssen sie viel Aufwand in die Entwicklung neuer Produkte und die Verbesserung bestehender Produkte stecken. Ein Grossteil des Budgets wird dafür verwendet… Aber nicht alles.

Infomaniak hat ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein und bemüht sich aktiv um eine Verringerung der ökologischen Auswirkungen. So sehr, dass ein 6-Millionen-Projekt zur Wiederverwendung des Wassers, mit dem das Rechenzentrum gekühlt wird, seit 2017 ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten des Unternehmens ist. Ziel des Projekts ist es, in der Umgebung von Genf Strom zu erzeugen.

Warum wir das erwähnen? Weil es perfekt ihren hybriden Ansatz illustriert, der Werte und Gemeinschaft mit produktgesteuertem Marketing verbindet. Ihre Big Tech-alternative Zielsetzung erfordert, dass sie produktorientiert sind, aber in ihrem Kern geht es um Werte und Visionen, über was sie auch kommunizieren.

Die Auswirkungen von Mischstrategien auf die Markenklarheit

Zwischen den Produkten die sie entwickeln und dem Datencenter gibt es wenig Flexibilität in Bezug auf das Budget:
In der gegenwärtigen Situation können sie die Ressourcen für Forschung und Entwicklung nicht so stark nutzen, wie sie es gerne würden, was ihre Fortschritte im Wettbewerb mit den Big Tech Unternehmen verlangsamt. Gleichzeitig erlaubt ihnen dies jedoch, unabhängig zu agieren und garantiert den Respekt ihrer Werte: Privatsphäre, Nachhaltigkeit und Nähe.
Für Werbung und Marketing ist im Budget wenig Platz. Aus diesem Grund haben sie Dienste wie Swiss Transfer und kMeet entwickelt. Sie bieten einen echten Mehrwert, damit die Menschen sie kennenlernen, anstatt ihnen Werbung zu schicken. Es ist eine Entscheidung, die sie getroffen haben, und glücklicherweise scheinen sie damit nicht unglücklich zu sein, da sie ein starkes, gesundes Unternehmen sind. Trotzdem aber hat es Auswirkungen auf ihre Markenpositionierung.

Da sie das Geld lieber anderweitig verwenden, werden ihre Marketing- und Kommunikationsaktivitäten intern von einem kleinen Team von Mitarbeitern verwaltet. Mit 180 Mitarbeitern in der ganzen Schweiz und der Ambition des Unternehmens, Big Tech zu ersetzen, könnte man eine grössere Marketingabteilung haben.

Die Firma ist dabei, sich neu zu positionieren und möchte der Welt eine bestimmte Botschaft vermitteln. Das Problem ist, dass es ihr ein wenig an Klarheit mangelt:

  • Sie wollen die lokale Alternative zu Big Tech sein, aber ihre Website vermittelt ein Image, das eher dem von Grossunternehmen als dem von lokalen Unternehmen entspricht, wie man auf dem Bild unten sehen kann.
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Screenshot from infomaniak’s home page
  • Sie positionieren sich neu und vermitteln den Leuten durch digitale Kampagnen neue Botschaften. Aber auch wenn ihre jüngste Kampagne in der Deutschschweiz wirklich gut funktioniert hat, zeigen die Bilder nicht die Persönlichkeit der Marke und wir können nicht begreifen, wie toll Infomaniak ist. Unserer Meinung nach geht hier Potential verloren, da Infomaniak so viel mehr zu bieten hat als man auf den ersten Blick sieht.
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Awareness campaign in German-speaking Switzerland

Eine weitere Konsequenz aus der Vermischung von Strategien zeigt sich im Medienmix. Um sicherzustellen, dass die gesamte Customer Journey abgedeckt wird, ist die übliche Aufteilung im Jahr 2020 etwa 50:50 zwischen klassischen und digitalen Medien. Infomaniak arbeitet auf einer 30-70-Basis und gibt den klassischen Medien mehr Gewicht als den digitalen. Das ist zwar ungewöhnlich, aber es gibt eine einfache Erklärung: Beziehungen stehen an erster Stelle. Sie ersetzen digitales Marketing durch Verträge, die sie mit klassischen Medien wie lokalen Fernsehsendern und Radios haben, weil sie schon seit Jahren mit ihnen zusammenarbeiten. Das entspricht auch ihren Werten, denn sie wollen die Big Tech Unternehmen nicht zu sehr unterstützen 😉 .

Ihre Marketingaktivitäten und die Nutzung klassischer Medien sind eine grosse Unterstützung für die unschlagbare Kraft der Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist zwar ein wichtiger Bestandteil des Rufs einer Marke, aber nicht der Haupttreiber für den Umsatz. Andere Hosting-Unternehmen verfolgen eine viel intensivere Werbestrategie, und Infomaniak sollte seine Augen offen halten. Die Zukunft wird zeigen, ob Infomaniak ihnen in Sachen digitaler Werbung folgen wird.

Was wir gelernt haben

  • Gute Gegenstrategien gehen über Nachahmerprodukte hinaus.
  • Der Kampf zwischen wirtschaftlichem Gewinn und Wert ist eine Realität.
  • Werte haben wirtschaftliche Folgen: manche sind gut, andere weniger.
  • Marketing ist nicht alles: Wer seinen Instinkt einsetzt und seinen Werten treu bleibt, kann ein Unternehmen zum Laufen bringen.
  • Infomaniak ist die Anlaufstelle für alle, die sich gegen die Grossen auflehnen oder einfach nur mit tollen und engagierten Leuten zusammenarbeiten wollen 😉
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Infomaniaks Büros in Genf

Wir wünschen Infomaniak alles Gute beim Erreichen ihrer Ziele!

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